Was unsere Zukunft prägt

Die Welt befindet sich im Wandel. Unsere Gesellschaft muss darauf zunehmend flexibel reagieren. So entstehen die großen Trends unsere Zeit. Die wichtigsten Entwicklungen im Überblick.

Trend #1 Das neue Wir: Neo-Tribes, Subkultur und Sharing

Während sich in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Tendenzen zur Individualisierung zeigen, gibt es auch den gegenläufigen Trend. Ihn kennzeichnet ein tief verankerter Wunsch nach gemeinsamen Identitäten und Beziehungen. Ein Grund dafür könnte sein, dass Institutionen wie Großfamilien und Sippen seit dem Industriezeitalter an Bedeutung verloren haben. Möglicherweise als Antwort darauf entwickelt sich in vielen Bereichen nun eine Rückbesinnung auf gemeinschaftliche Werte. Der Soziologe Michel Maffesoli prägte in diesem Zusammenhang den Begriff Neo-Tribes, also „Stämme der modernen Welt“. Der Begriff steht für Lebensweisen, Einstellungen und Interessen, durch die ein Gefühl von Zugehörigkeit entsteht. Zu Neo-Tribes gehören beispielsweise große Festivals, aber auch regionale Communities, politische Zusammenschlüsse, Karnevalsvereine und Ökodörfer. Sie sind als neue Subkulturen maßgeblich für das Wir-Gefühl der heutigen Zeit.
Auch die Sharing Economy, bei der sich temporäre Gruppe und Zusammenschlüsse bilden, ist ein Phänomen der neuen Wir-Kultur. Sowohl Subkulturen als auch Sharing-Gemeinschaften zeichnen sich durch eine starke digitale Vernetzung aus, die den Austausch ihrer Mitglieder weltweit ermöglicht. In einer zunehmend vernetzen Welt könnte sich der Trends zur Selbstorganisation in Neo-Tribes und Subkulturen weiter fortsetzen.

Trend #2 Lernen heute: gewusst, wie

Durch die wachsende Menge an Informationen wird es immer schwieriger, Wissen sinnvoll zu bündeln. Dazu kommt: Wissen veraltet heute schnell. Kreativität spielt für Bildung und Arbeitsleben daher eine zunehmend größere Rolle. Gemeint ist damit die Fähigkeit, ohne bestehende oder vergleichbare Lösungsmodelle spontan auf neue Probleme reagieren zu können. Kreativität in der Wirtschaft und im Beruf stellt aber auch neue Herausforderungen an Arbeitgeber und Beschäftigte. Erlerntes Faktenwissen wird durch Know-how ersetzt, also das Wissen über Prozesse und Vorgehensweisen. An die Stelle von Fleißarbeit treten verstärkt intrinsische Motivation und persönliche Fähigkeiten.
Eine weitere spannende Entwicklung ist die Öffnung der Universitäten. Die renommierten Unis der USA haben mittlerweile ein umfangreiches Online-Kursangebot etabliert, das ihre Lerninhalte weltweit zugängig macht. Auch Schulen greifen vermehrt auf neue Konzepte des Lernens zurück. An die Stelle des klassischen Lehrer-Schüler-Verhältnisses tritt beispielsweise das Peer-to-Peer-Learning, bei dem Schüler als Ratgeber von Gleichaltrigen auftreten und sich miteinander vernetzen.
Da niemand mehr alles wissen kann, verliert die zentrale Figur des Lehrers an Bedeutung. Handlungsspielräume und Prozessverständnis werden für Lernende, Lehrende und Beschäftigte immer wichtiger.

Trend #3: Silver Society: das neue Bild des Alters

Die Menschen werden immer älter. Doch sie werden nicht nur älter, sie bleiben auch länger gesund und fit. Die Ansprüche älterer Menschen an ihre Lebensqualität steigen. Das verändert unser Bild des Alterns und erfordert ein gesellschaftliches Umdenken. Viele Kommunen haben damit begonnen, diesem Trend im Bereich Stadtentwicklung und Mobilität gerecht zu werden. Darüber hinaus wird das Konzept lebenslangen Lernens immer wichtiger, und die Altersrente muss möglicherweise neu gedacht werden.
Als Folge des demografischen Wandels gewinnt der zweite Gesundheitsmarkt an Bedeutung. Zum ersten Gesundheitsmarkt gehören unter anderem Krankenhäuser, Ärzte und Pfleger. Den zweiten Gesundheitsmarkt bilden Wellnessanbieter, Sportveranstalter und zum Beispiel die Lebensmittelindustrie. Auch den Reisesektor verändert die Entwicklung: Gesundheitstourismus für ältere Menschen ist mittlerweile ein wachsendes Feld für viele Anbieter.
Alter ist somit nicht nur ein Trend, der gesellschaftliche Veränderungen erfordert. Es entstehen ist auch Märkte, die Chancen eröffnen. Ältere Menschen haben heute oft ein gutes Verständnis für Technologie und darüber hinaus eine hohe Kaufkraft. Damit werden sie auch in Deutschland zu einer wachsenden Zielgruppe für das Marketing der Unternehmen.

Trend #4: Soziale Innovation: Ideen für eine gerechtere Welt

Soziale Innovationen werden für Unternehmen immer wichtiger. Häufig in interdisziplinären Prozessen erarbeitet, bieten sie einen klaren gesellschaftlichen Nutzen. Oft entstehen soziale Innovation auch gemeinsam mit Betroffenen, mit denen eine geeignete Lösung für ein Problem gesucht wird. Die Lösungsansätze, die in Entwicklungsabteilungen und Start-ups erarbeitet werden, können verschiedene Bereiche des Lebens und der Wirtschaft betreffen. Dazu gehören Konzepte zur Neuverteilung von Ressourcen, Kommunikationsstrategien oder alternative Serviceleistungen.
Weltweit gibt es mittlerweile diverse Beispiele für soziale Innovationen. Dazu gehören der junge Niederländer Boyan Slat, der mit einem riesigen Fangarm die Meere von Plastik befreien möchte und die Africa GreenTec AG. Sie baut, finanziert und betreibt Solaranlagen zur Entwicklung von ländlichen Regionen in Afrika. In Deutschland gewinnt vor allem der Gedanke des Social Entrepreneurships an Bedeutung: In bundesweit verteilten Social Labs entwickeln junge Gründer Ideen für eine nachhaltige Zukunft.

Trend #5 Bezuglosigkeit: gemeinsam einsam

Likes sind eine neue Währung, Sensoren vernetzen smarte Städte, moderne Tools erlauben Kommunikation in Echtzeit. Es scheint, als rücke unsere Welt immer dichter zusammen. Gleichzeitig zeigt sich jedoch ein anderer Trend: Viele Menschen erleben gerade durch die Technologisierung verstärkt das Gefühl von Einsamkeit. Die Politik hat dieses Problem mancherorts bereits erkannt und versucht sich an Lösungen. Großbritannien rief beispielsweise 2018 das weltweit erste Einsamkeitsministerium ins Leben und ernannte Tracey Crouch zur Einsamkeitsministerin. Doch das Engagement reicht über die politische Ebene hinaus. Auch bei Stadt- und Raumplanern steht das Thema der urbanen Einsamkeit im Fokus. Ein bekanntes Beispiel ist der dänische Architekt Jan Gehl, der mit seinen auf die Bedürfnisse und Lebensqualität des Menschen fokussierten Planungen unter anderem den Global Award for Sustainable Architecture gewann. Viele Stadtplaner und Architekten beschäftigen sich mittlerweile mit dem Aufbau und Design öffentlicher Räume und schaffen Strukturen, die Einsamkeit in Städten beheben sollen.

Trend #6: Protestkultur: politisch aktiv im Netz

Wie zu jeder Zeit werfen viele Menschen den jüngeren Generationen vor, unpolitisch zu sein. Aktuelle Studien kommen jedoch zu anderen Ergebnissen. Junge Menschen interessieren sich durchaus für Politik. Nur engagieren sie sich oft nicht mehr so stark in den politischen Parteien. Stattdessen finden sie neue Wege, politisch aktiv zu werden. Online-Petitionen oder Aufrufe zum Demokratie-Festival im Olympia-Stadion – junge Menschen nutzen vor allem soziale Kanäle, um auf sich und ihre Anliegen aufmerksam zu machen.  
Greta Thunberg mobilisierte mit der Fridays-for-future-Bewegung binnen kurzer Zeit Schüler über den ganzen Globus und schaffte es dadurch in die partei- und außenpolitischen Debatten. Ein weiteres berühmtes Beispiel ist der Arabische Frühling, der vorwiegend über das Internet organisiert wurde. Auch in Deutschland finden sich vergleichbare Impulse: Viele Menschen engagierten sich beispielsweise als aktive Helfer während der großen Flüchtlingskrise und organisierten sich über das Netz. Aus diesem Engagement entstanden zahlreiche neue Initiativen und Start-ups, die die Integration Geflüchteter vorantreiben wollten.

Trend #7 Gender Shift: sein, wer man ist

Unsere Rollenbilder verändern sich zusehends. Dieser Prozess wird vor allem durch junge Menschen vorangetrieben werden, die neue Anforderungen an Arbeit, Entwicklungsmöglichkeiten und Familie stellen. Junge Frauen wollen auch als Mütter aktiv am Arbeitsleben teilhaben und fordern Chancengleichheit in Sachen Berufsentwicklung und Karriere. Zwei verdienende und gleichberechtigte Partner lösen das Bild des Mannes als alleinigen Familienernährer ab, während Jobsharing und Teilzeit für beide Eltern in den Fokus rücken. Arbeitgeber müssen somit künftig Lösungen wie ortsunabhängiges Arbeiten, flexible Job- und Arbeitszeitmodelle und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder anbieten, um für junge Menschen attraktiv zu sein.
Menschen möchten nicht auf Basis ihrer Herkunft oder ihres Geschlechtes, sondern aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihrer Fähigkeiten beurteilt werden. Eine solche plurale Gesellschaft bedeutet für Unternehmen auch, dass sie sich auf neue Kundenbedürfnisse einstellen müssen. Es entwickeln sich neue Produktkategorien. Viele Unternehmen etablieren zum Beispiel bereits Uni-Sex-Produkte in ihren Portfolios.

Trend #8 Achtsamkeit: der Blick auf das Wesentliche

Achtsamkeit hat sich zu einem riesigen Trend entwickelt. Fast in jedem Bereich des gesellschaftlichen Lebens ist Achtsamkeit mittlerweile ein Thema. Im Gesundheitswesen findet man Achtsamkeitsprinzipien, in Leadership-Seminaren werden sie gelehrt, aber auch in Bezug auf Produktionsprozesse gewinnen sie zunehmend an Bedeutung. Doch Achtsamkeit bedeutet für Unternehmen gleichzeitig auch ein hohes Maß an Veränderung. Dazu gehört die Neubewertung von Rückschlägen als Chancen, die Akzeptanz von Krisen als Möglichkeiten und die Umdeutung von Problemen zu Lösungen. Wird Achtsamkeit in Unternehmen bewusst gelebt, kann sie zu einer gesunden Mitarbeiterkultur und mehr Erfolg an den Märkten führen. Denn Achtsamkeit fördert Konzentration und Produktivität, begünstigt die Fähigkeit, Probleme zu lösen und ermöglicht Perspektivwechsel. So kann Achtsamkeit auch dazu beitragen, in einer Welt im Wandel der Angst vor Veränderung zu begegnen.

 


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